Die Veranstaltung „20 Jahre Neues Wohnen im Alter e.V.“ aus der Sicht des Moderators
– 2005 –
Es gibt eine Anfrage aus Köln, ob ich die Veranstaltung zum 20jährigen Bestehen des Vereins Neues Wohnen im Alter e.V. moderieren könnte. Warum nicht?
Einige Wochen später kommt das Programm. Das kann ja heiter werden! Wie soll man eine Veranstaltung über die Runden bringen, bei der anscheinend nahezu die Hälfte aller erwarteten Gäste irgendwann einmal auf der Bühne steht? Die Veranstalter, darauf angesprochen, meinen: „Das schaffst Du schon!“ „Und in welchem Stil hättet Ihr gern die Moderation?“ „Hast Du denn mehrere?“
Also auf nach Köln! Zum Glück gibt es jede Menge Informationsmaterial über die Gäste und über die vielen Projekte, die sich präsentieren dürfen. Der Moderationsplan ist fünf Seiten lang; schließlich sollte alle Mitwirkenden ja nicht nur angesagt, sondern auch persönlich angesprochen werden.
Mit Beate von der Beratungsstelle „wohn mobil“ geht’s vom Hauptbahnhof weiter nach Köln-Mülheim. Die Veranstaltung findet in einem alten Bunker statt. Es ist schon am Morgen warm und schwül. Kann ich ja gar nicht vertragen…
Vor dem Kulturbunker tobt das Leben. Markttag – und keine Parkplätze! Eine lange Schlange vor dem Empfang im Bunkereingang. Dicke Betonmauern, fast keine Fenster, viel Grau und Schwarz. Um so netter die freundlichen Mitglieder des Vereins, die die Gäste begrüßen, Getränke anbieten und sich um alles kümmern. Der Andrang am Empfang ist so groß, daß der Anfang sich verzögert. Können wir die Zeit rausholen?
Der Saal ist eher klein und eng bestuhlt. Die Sitzplätze reichen für die über 180 Anwesenden nicht aus. Es wird immer wärmer, aber die Jacke bleibt an, wenigstens bis zum Mittag. Die Klimaanlage funktioniert nur, wenn die Tür zu ist. „Würden Sie bitte die Tür schließen?“ Irgendwie absurd – bei dem Wetter … Sorge eines Moderators: wann laufen mir die Leute weg?
Auch auf der Bühne ist es eng. Erst gibt es die Begrüßung durch die Initiatorinnen des Vereins, Erika Rodekirchen und Kinie Hoogers, dann die Ansprachen. Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes, im bunten Sommerkleid, spricht für die Stadt Köln. Trotz der Hitze noch im Jackett, vertreten Knut van Büren das Sozialministerium und Kay Noell das Bauministerium. Danach der Rückblick auf die Entwicklung des gemeinschaftlichen Wohnens und des Kölner Vereins durch Gerda Helbig und Monika Klostermann. Erinnerungen, aber keine Nostalgie. Das Thema nimmt an Bedeutung zu.
Kurze Pause, und dann stellen acht Projekte aus Köln ihre Ziele, ihre Möglichkeiten und ihren Unterstützungsbedarf vor. Die meisten machen das ganz flott, doch zwei sind nach meinem Gefühl zu lang und zu langsam.
Aber die Zeit reicht noch, um vor der Podiumsdiskussion die Vereinsmitarbeiterinnen Erika Rodekirchen und Margot Opoku-Böhler zu „testen“. Ohne daß sie vorher davon wußten, sollen sie nun im schnellen Wechsel Gründe nennen, warum selbst ein sauerländischer Westfale wie ich sich für gemeinschaftliches Wohnen interessieren sollte. Ein Feuerwerk von Argumenten prasselt von rechts und links auf mich ein. Das Auditorium hat seinen Spaß, aber ich muß das stoppen, sonst reden die beiden noch den ganzen Zeitgewinn weg!
Dann die Podiumsdiskussion: eine Stunde Zeit, aber 14 hochkarätige Mitwirkende! Macht 4,2857 Minuten Redezeit pro Person, wenn der Moderator nichts sagt. Aber zum Nichtssagen bin ich ja nun auch nicht eingeladen worden… Schließlich sollen ja die gerade gehörten Projekterfahrungen mit eingebracht werden.
Es geht in der kurzen Zeit nur mit einem gesteuerten Gespräch: ich frage und bestimme so, wer redet. Keine Grundsatzerklärungen, keine ausufernden Dialoge, kein „Bevor ich auf Ihre Frage eingehe …“, aber auch keine Beteiligung des Auditoriums – tut mir leid!
Ich bitte die Teilnehmer nacheinander auf die Bühne und stelle ihnen dabei jeweils ein oder zwei Fragen. Denn zunächst muß den Zuhörern klar werden, wer für was steht.
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Barbara Steffens unterstützt Wohnprojekte schon lange. Neben Knut van Büren und Kay Noell nimmt noch Franz Koch vom Bauministerium Platz, auch er ein „alter Hase“. Gerda Helbig, Theresia Brechmann, Sabine Matzke, Erika Rodekirchen und Susanne Tyll vertreten Wohnprojekte und Wohnberatung. Rolf Novy-Huy von der Stiftung Trias sagt, er habe nicht viel Geld, um Projekte zu fördern; er darf trotzdem bleiben. Dr. Uta Renn ist die auch im Projekt „Wohnen für Hilfe“ engagierte Vorsitzende der Landesseniorenvertretung NRW. Klaus Großjohann spricht für das unentbehrliche KDA, Roswitha Sinz für die innovativen Teile der Wohnungswirtschaft und Marlies Bredehorst, erfrischend direkt, als Sozialdezernentin der Stadt Köln.
Gut, daß ich mir die Teilnehmer „sortiert“ habe. Einige sehe ich ja auch zum erstenmal. Alle fassen sich kurz und hören auf die Vorredner. Eine Argumentationskette entsteht. Einer findet eine Frage von mir „merkwürdig“, eine andere nennt man sogar „gemein“. Die Sozialdezernentin sagt hinterher, sie habe eigentlich gar nicht kommen wollen, weil so viele auf das Podium sollten. Aber es sei ja doch etwas dabei herausgekommen. Dafür Dank an alle!
Etwas entspannter in die Pause. Draußen auf der Terrasse ist es sehr angenehm, ein leichter Wind weht. Dann zurück in den Saal. „Würden Sie bitte die Türen schließen?“
Dreizehn weitere Projekte und Projektpartner präsentieren sich, manche flott, manche etwas langatmig. Der Verein hatte um möglichst individuelle Auftritte gebeten, aber viele Projekte müssen ihre Eigenheiten noch entwickeln. Das Spektrum ist breit: Wohnen in einem alten Kloster, Frauenprojekte, Jung und Alt, Anthroposophen, Betreutes Wohnen bei der CBT, Wohnberatung, Multikulturelles Wohnen, Schwule und Lesben und so weiter. Inzwischen wissen wir auch, daß sich alle einen schönen Gemeinschaftsraum wünschen…
Erfrischend ist Fatih, ein schlagfertiger Dreizehnjähriger, der an der Planung seines Projektes eigentlich nur teilnimmt, um die Errichtung eines Baumhauses zu sichern. „Sind die anderen Mitglieder der Arbeitsgruppe nicht etwas alt für Dich?“ „Ja!“ „Dürfen die denn später auch in das Baumhaus?“ „Hm, ja klar.“ „Ob die dann da hoch kommen, ist ja noch eine andere Frage …“ „Hmm…“ Zu ihm wären mir noch mehr Fragen eingefallen, aber die Zeit…
Schließlich sind wieder Erika Rodekirchen und Margot Opoku-Böhler auf der Bühne zum Fazit des Tages. Sie stellen fest, daß nach über sechs Stunden noch fast alle Teilnehmer da sind. Erstaunlich, bei dem vollen Programm und dem Wetter. Doch andererseits: wo sonst bekommt man eine so kompakte Übersicht über die Schwierigkeiten und die Erfolge von Wohnprojekten? Ein lohnender Tag, vollgepackt, bunt und lebendig.
Dann heißt es Türen auf, Kaffeetrinken und Ausklang auf der Terrasse! Draußen scheint die Sonne. Eine Frau vom Verein spricht mich an: „Ich habe immer versucht herauszufinden, was Sie als Moderator denn von den vorgestellten Projekten halten.“ „Und?“ „Manchmal war das schon zu merken!“ Moderatoren sind auch nur Menschen…
Christine von „wohn mobil“ nimmt mich mit zum Bahnhof.
Theo Hengesbach