Erinnerung

 

Von Theo konnte man immer etwas lernen …

– Nachruf –

Ich kann mich nicht mehr erinnern was es für eine Veranstaltung war, bei der mir Theo Hengesbach zum ersten Mal begegnet ist. Ich bin mir auch nicht sicher, ob es 10 oder 15 Jahre her ist. Aber ich weiß noch genau, dass mich seine Art, wie er immer wieder zielorientiert nachgefragt hat, beeindruckte. Dabei war er nie unfreundlich, nie unfair. Aber ihm war immer klar, welche Antwort er hören wollte. Und er agierte und erklärte im Fragen so geschickt, das sich bei dem einen oder anderen Diskussionsteilnehmer auch schon mal die Position im Laufe einer Veranstaltung veränderte. Er war von dem, was er vertrat, voll und ganz überzeugt. Von Theo konnte man immer etwas lernen. Deswegen traf man Theo auf fast allen Veranstaltungen zum Themenspektrum „Wohnen und Leben im Alter“. Auch ich habe ihn immer gerne zu Veranstaltungen als Referenten eingeladen, habe seine Beiträge sehr geschätzt.

Aber Theo war nicht nur fachlich kompetent. Er war auch als Mensch besonders liebenswert. Immer bescheiden, sich zurücknehmend und doch mit einem hohen Maß an Sauerländer-Sturheit fordernd ausgestattet. Er war auf seine Art liebenswert eigen.

Wie einige andere auch, erhielt ich von Zeit zu Zeit umfangreiche Briefe mit vielen kleinen und großen Zeitungsausschnitten und anderen Artikeln.

Er war für mich eine politische „Pippi Langstrumpf“: Ein Sachensammler; einer, der Botschaften umverteilte. Aber auch auf die SMS mit dem Sendezeithinweis für den Lieblingswestern war bei Theo Verlass.

Theo war eben Theo.

Bis zuletzt, noch als er im Krankenhaus lag, hat er mir etwas das ich politisch „bearbeiten“ soll, mit auf den Weg gegeben.

Bei seinem ersten Klinikaufenthalt regte er sich einmal darüber auf, dass ihn immer wieder Menschen, die er sonst fast nie zu Gesicht bekam, spontan besuchten. „Sie kommen einfach und stehen ganz plötzlich in deinem Zimmer“, sagte er. Ich hielt die Beschwerde zuerst für seltsam, denn so ein Besuch kann doch eine nette Abwechslung im tristen Krankenhausalltag sein. Als ich nicht reagierte, sagte er: „Kaum einer würde unangemeldet vor meiner Wohnungstür stehen. Aber hier, wo es keine verschlossenen Türen gibt, erwartet man Freude über das unangemeldete Eindringen in die Privatsphäre.“

Später einmal erklärte er mir, dass man als Patient im Krankenhaus seine Intimsphäre bei der Anmeldung abgeben muss. „Zu jeder Tages- und Nachtzeit kommt das Personal in dein Zimmer. Sie klopfen nicht, sie fragen nicht, sie kennen gar keine Grenze. Und als ich gesagt habe, sie möchten bei mir bitte anklopfen, da waren sie eingeschnappt.“

Und er hatte so Recht. In jedem Hotel gibt es die „Bitte nicht stören“- Schilder, aber im Krankenhaus bist du 24 Stunden, bist du immer „behandelbar“.

Er hat mir erzählt, wie ihn die Unruhe, die große Zahl der unnötigen Störungen, wie ihn das System Krankenhaus krank gemacht hat.

Er ist an seiner Krankheit gestorben. Aber er hat bis zuletzt darunter gelitten, dass wir Menschen den Systemen angepasst und untergeordnet werden sollen, anstatt die Systeme an unsere Bedarfe und Bedürfnisse anzupassen.

Jetzt bin ich als Ministerin für all das zuständig, was Theo gerne verändern wollte. Und Theo ist tot. Am Tag meiner Vereidigung hätte Theo Geburtstag gehabt. Ich weiß, er hätte sich mit mir gefreut.

Er fehlt NRW und er fehlt mir. Als Ratgeber und Freund.

Aber seine Ideen, seine Ansprüche und seine Art, die Dinge zu betrachten, leben in vielen von uns weiter. Auch in mir. Dafür bin ich ihm dankbar.

Barbara Steffens
Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter
des Landes Nordrhein-Westfalen

Pressemitteilung zum Tod von Theo Hengesbach

Wir trauern um Theo Hengesbach.

Theo Hengesbach war seit 30 Jahren mit Leib und Seele in unserem Verein und als Sozialarbeiter im Kreuzviertel tätig.

Den Kreuzviertel-Verein würde es ohne ihn nicht geben. Theo Hengesbach hat den Ausschlag zu dessen Gründung nach seinem Studium der Sozialarbeit und seinem Anerkennungsjahr gegeben, das er zum Teil in der Katholischen Heilig-Kreuz-Gemeinde im Kreuzviertel geleistet hatte.

Eine umfassende Würdigung seiner Arbeit ist an dieser Stelle nicht möglich. Wir möchten uns auf einige Eckdaten beschränken.

In den 80er Jahren setzte sich Theo Hengesbach u. a. erfolgreich für die Rettung des Südwestfriedhofs, für einen verbesserten Schutz von Mieterinnen und Mietern vor Wohnungsspekulation und für den Erhalt der Tremoniasiedlung ein.

Er gründete und moderierte seit 1980 die „Dortmunder Altentreffen“, die sozialpoliti-sche Fragen aus der Sicht älterer Menschen diskutieren. Auch seine „Kreuzviertel-Gespräche“ zu aktuellen Themen erfreuten sich einer großen Beliebtheit und hatten eine Laufzeit von 18 Jahren.

Theo Hengesbach war einer der ersten, der sich der Verbesserung der Wohnsituation älterer Menschen verschrieben hatte. Unterstützt vom nordrhein-westfälischen Sozialministerium, der Stiftung Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Dortmund hat er 1989 eine der ersten drei Wohnberatungsstellen in Deutschland aufgebaut.

In Dortmund war Theo Hengesbach u. a. regelmäßig an der Weiterarbeit der kom-munalen Altenarbeit beteiligt und hat sich erfolgreich für den Ausbau barrierearmer Wohnungen eingesetzt.

Seine engagierte, unermüdliche und einflussreiche Arbeit war von einem langen Atem geprägt und ging weit über die kommunale Ebene hinaus. 1994 gründete er zusammen mit anderen die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung e.V. und 1999 in Dortmund die Landesarbeitsgemeinschaft Wohnberatung NRW, dessen Sprecher er seitdem war.

Theo Hengesbach war gefragter Experte in vielen gerontologischen Fragen und brachte sein Wissen als Referent und Moderator bei Fachveranstaltungen, Projekten und verschiedenen landespolitischen Fachgremien ein, u. a. für den Unterarbeits-auschuss Seniorenarbeit und -politik der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in NRW oder die Landesinitiative Demenz-Service NRW.

Theo Hengesbach bezog immer deutlich und kompromisslos Position ohne verletzend zu sein und erfuhr vielleicht auch deswegen großen Respekt und Anerkennung – auch und gerade von denen, die er kritisierte. Er behandelte alle Menschen gleich und fand zu den meisten von ihnen einen tiefen Zugang. Dabei stellte er sich selbst nie in den Vordergrund.

Er war ein glühender Verfechter der Gemeinwesenarbeit und setzte sich unentwegt für die Belange der Menschen ein, auch weit über gerontologische Fragestellungen hinaus. Dies tat er auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen und auch persönlich. Theo Hengesbach hatte immer ein offenes Ohr und wurde von vielen Menschen kontaktiert – als Helfer, Ratgeber, Experte oder Vermittler. Er brachte die Menschen und die Themen zusammen.

Theo Hengesbach verstarb am 15.11.09 an den Folgen einer Krebserkrankung. über die Schwere seiner Krankheit hat er kaum gesprochen und bis zuletzt im Rahmen seiner Möglichkeiten für das gearbeitet, was ihm wichtig war – sozialpolitische Einflussnahme für das Wohl der Menschen und die Arbeit des Kreuzviertel-Vereins.

Wir haben mit Theo Hengesbach einen einzigartigen und unersetzbaren Menschen verloren, der uns persönlich und fachlich unendlich fehlen wird und sprechen ihm tiefe Dankbarkeit für all das aus, was er für uns und andere geleistet hat.

Elisabeth Brintrup
1. Vorsitzende