Ulrich Kinstner

Festveranstaltung
15 Jahre Wohnberatung in NRW

Ansprache von MD Ulrich Kinstner, Abteilungsleiter Soziales im Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen

zum Thema: “Wohnberatung – seit 15 Jahren ein elementarer Baustein zur Absicherung der häuslichen Pflege in Nordrhein-Westfalen” zur Jubiläumsfeier anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Wohnberatung in NRW am 7. Juni 2004 im Bachsaal in Düsseldorf

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
sehr geehrte Frau Bank, Frau Tyll,
sehr geehrter Herr Hengesbach,
sehr geehrte Damen und Herren.

ich freue mich, heute mit Ihnen das 15-jährige Jubiläum von Wohnberatung in Nordrhein-Westfalen feiern zu können und überbringe deshalb auch gerne die besten Grüße und Wünsche von Frau Ministerin Birgit Fischer.

Ihr Jubiläum ist natürlich auch ein wenig unser Jubiläum, denn vor 15 Jahren wurde erstmals in Nordrhein-Westfalen das Angebot “Wohnberatung” modellhaft angestoßen und aus Mitteln der Stiftung Wohlfahrtspflege und später dann aus Mitteln des Sozialministeriums gefördert.

Bereits gegen Ende der 80iger Jahre waren wir uns mit allen Fachleuten in Nordrhein-Westfalen einig, dass vor dem Hintergrund der sich bereits damals deutlich abzeichnenden demografischen Entwicklung die stationäre Heimpflege allein nicht die Lösung für die pflegepolitischen Probleme der Zukunft sein konnte.

Es war vielmehr der uns alle bis heute fachpolitisch noch immer überzeugende Weg des Vorranges der ambulanten vor der stationären Versorgung, der zukunftstaugliche Perspektiven für alle an der pflegerischen Versorgung Beteiligten aufzeigte. Insbesondere auch für die Hilfe- und Pflegebedürftig selbst war und ist dies eine Perspektive für den immer stärker auch öffentlich artikulierten Wunsch:

“Auch wenn ich einmal pflegebedürftig werde, möchte ich mein Leben möglichst lange im vertrauten Umfeld und in meinen eigenen vier Wänden leben!”

Aufbauend auf diesen Leitgedanken wurde mit dem 2. Landesaltenplan ein insbesondere Maßnahmenbündel geschnürt, weiches wesentlich auf Ergebnissen breit angelegter Fachdiskussionen unter Beteiligung von betroffenen Organisationen, Trägerverbänden und Kostenträgern aufbaute, und den Vorrang der häuslichen Versorgung in den Focus des pflegepolitischen Handelns stellte.

Meine Damen und Herren,
zur Umsetzung des Vorranges der häuslichen Versorgung gehört neben den drei Schwerpunkten

  • ausreichendes Angebot von ambulanten Diensten.
  • komplementäre pflegeergänzende Hilfen sowie
  • entlastende Angebote der Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege

eben auch und unverzichtbar als viertes: die Wohnberatung. Bei der Konzeption von Wohnberatung stellten sich eine Reihe von Fragen:

  • Was soll Wohnberatung überhaupt anbieten?
  • Was kann sie leisten und zur Verbesserung der individuellen Wohnsituation konkret anbieten?
  • Wie kann die Finanzierung der Maßnahmen – aber auch der Beratung – sichergestellt werden?

Angesichts solcher Fragen war als erstes das zu leisten, was gute Modellprojekte zu leisten im Stande sind, nämlich Pionierarbeit!

Es darf uns, so denke ich, alle mit ein bisschen Stolz erfüllen, dass die Pioniere der Wohnberatung aus NRW kommen.

Es war ein wichtiger Schrift, dass vor 15 Jahren das damalige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales die bereits entstandenen Strukturen der gemeinweseorientierten Sozialarbeit im Dortmunder Kreuzviertelverein als Ausgangsbasis für die weitere Projektkonzeption einer Wohnberatung in Nordrhein-Westfalen genutzt hat.

Dies war gleichsam die Geburtsstunde der Wohnberatung.

Meine Damen und Herren,
seitdem haben wir beständig an der Verfeinerung und an der Verstetigung des Projektes Wohnberatung gearbeitet und deshalb hat die Wohnberatung in Nordrhein-Westfalen bereits eine beachtliche Geschichte, die ich uns heute noch einmal kurz vergegenwärtigen möchte.

So ist es zunächst mit den Mitteln des 2. Landesaltenplans und der engagierten Mitwirkung der “Pioniere” gelungen, einige modellhafte Wohnberatungsstellen sozusagen “ans Netz” zu bringen.

Dies bot nicht zuletzt auch die Chance, das Konzept Wohnberatung auch im Hinblick auf seine Akzeptanz in der Bevölkerung aber auch bei den Kostenträgern zu beobachten, Dies führte in dieser Modellphase auch zu ersten Überlegungen, wie man einen möglichen pflegefachlichen und ökonomischen Erfolg des Modellprojektes überprüfen und kommunizieren könnte. Denn von Anfang an wollten wir auch beweisen, dass Wohnberatung nicht nur gut für die betroffenen Menschen ist, sondern auch positive Effekte für die Finanzierungslasten der Sozialhilfeträger und später auch der Pflegekassen hatte.

Diese Modellphase konnte – mit den erwarteten positiven Ergebnissen der Evaluierung – etwa zur Mitte der 90er Jahre als erfolgreich abgeschlossen angesehen werden. Allen, die an dieser teilweise sehr experimentellen Aufbauphase mitgewirkt haben, sei hier nochmals herzlich gedankt!

Mitte der 90er Jahre stellte sich die Gesamtlage, in die unser erfolgreich gestartetes Modellprojekt eingebettet war, in vielerlei Hinsicht deutlich verändert dar, denn-.

der demografische Umbruch wirkte sich zunehmend stärker aus und mit ihm – bei unverändert hoher Arbeitslosigkeit – verstärkte sich auch der Druck auf die öffentlichen Kassen,

die Pflegeversicherung wurde zu Beginn des Jahres 1995 eingeführt und bracht ein klares Bekenntnis zum Vorrang der häuslichen Versorgung, aber auch neue rechtliche Rahmenbedingungen und neue Partner in Gestalt der Pflegekassen und der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung und

1996 trat das Landespflegegesetz für Nordrhein-Westfalen in Kraft, was ebenfalls neue Weichenstellungen, wie etwa bei der Klarstellung kommunalef pflegerischer Daseinsvorsorge bewirkte.

In diesem zweiten Abschnitt des Modellprojektes ist Vieles gelungen, worum uns heute andere Bundesländer beneiden, die erst jetzt mit der Projektion einer Wohnberatung beginnen:

Wohnberatung ist in NRW seit 1996 ein landesgesetzlich verankertes komplementäres Regelangebot!

Die Zahl der Wohnberatungsstellen konnte deutlich, hin zu einer nahezu flächendeckenden Versorgung gesteigert werden!

Die neuen Partner bei den Pflegekassen haben sich ungeachtet der Tatsache, dass bei der Konzeption der Pflegeversicherung Wohnberatung nicht explizit mitgedacht worden ist, in Nordrhein-Westfalen schon seit 1996 an der Finanzierung der Wohnberatung beteiligt!

Mit der Ausweitung der Wohnberatungsstellen wurde auch die wissenschaftliche Begleitforschung intensiviert und eine zur Erleichterung der häufigen Abstimmungsprozesse beitragende Projektkoordination durch die Verbraucherzentrale NRW eingerichtet!

Durch die engagierte Mitarbeit aller an der Wohnberatung Beteiligten und dem Know-how der Verbraucherzentrale ist es gelungen, die Wohnberatung zu typisieren und – mit Unterstützung der Wissenschaft – für die einzelnen Dienstleistungsbereiche Qualitätsstandards zu entwickeln. Diese Standards erfüllt heute jede vom Land mitgeförderte Beratungsstelle im Projekt!

Meine Damen und Herren,
der dritte, auch heute noch andauernde Abschnitt der Geschichte der Wohnberatung in NRW wird vielleicht als der kritischste auf dem Weg zu einer regelhaften und dauerhaft finanziell abgesicherten Wohnberatung wahrgenommen, allerdings aus meiner Sicht auch oftmals zu Unrecht.

Richtig ist. dass die Pflegekassen die Förderung der Wohnberatung allein aus Rechtsgründen überdenken mussten. Ich sage deutlich – Allein aus Rechtsgründen, denn nach den Ergebnissen der Begleitforschung waren und sind auch die Pflegekassen von der Sinnhaftigkeit und vom Nutzen der Wohnberatung überzeugt.

So sind wir gemeinsam mit den Pflegekassen und unter optimaler Auslotung des gegenwärtig rechtlich im Rahmen des SGB XI Machbaren zu der Fallpauschalenlösung gekommen, für die in der Fach-Öffentlichkeit allerdings vielfach Kritik zu hören war.

Dieses System hat aber, ergänzt durch die weiteren Finanzierungsbeiträge von Kommunen und Land, dazu beigetragen, dass

  • trotz leerer öffentlicher Kassen bei Kommunen und Land und
  • bei weiterhin schwierigen rechtlichen Rahmenbedingungen

die Wohnberatung in den vergangenen drei Jahren erhalten werden konnte, und dies auf einem Niveau, das bundesweit beispielgebend ist! Wir werden aber – das will ich Ihnen heute gerne noch einmal bestätigen – in unserem Bemühen nicht nachlassen, um bessere rechtliche Rahmenbedingungen zu bekommen.

So hat Frau Ministerin Birgit Fischer im Zuge der ersten Beratungen über eine Weiterentwicklung der Pflegeversicherung bereits zu Beginn des Jahres Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ausführlich über den Nutzen der Wohnberatung informiert und eine verbesserte leistungsrechtliche Verankerung dieser wichtigen komplementären Dienstleistung im SGB XI eingefordert.

Meine Damen und Herren,
ich denke – und dazu werden wir im Verlaufe der heutigen Veranstaltung sicher viele Beiträge hören -die Wohnberatung hat in Nordrhein-Westfalen eine gute Perspektive! Zudem hoffe ich, dass unser NRW-Modell auch bundesweit weitere Nachahmer finden wird. Allerdings wird die Wohnberatung angesichts der schwierigen Finanzlage aller beteiligten Kostenträger nie ein Selbstläufer werden.

Es wird notwendig sein, dass sich alle bisher in der Wohnberatung engagierten Mitstreiter und Mitstreiterinnen auch in Zukunft der gemeinsamen Verantwortung stellen und im Geiste des gemeinsam Erreichten zusammen für diese Zukunftsperspektive einstehen! In diesem Sinne wünsche ich Ihrer heutigen Jubiläumsveranstaltung einen guten Verlauf und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Autor: Nadine David