Hausgemeinschaften und stationäre Einrichtungen

 

zu Memorandum

a) Hausgemeinschaften

Immer mehr ältere Menschen, die aufgrund von Pflegebedürftigkeit nicht mehr eigenständig wohnen können, suchen nach Alternativen zum Heim. In der Definition des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) sind Hausgemeinschaften als konsequente, qualitative Weiterentwicklung des Pflegeheimbaus zu bewerten. Hausgemeinschaften stellen demnach die 4. Generation der Alten- und Pflegeheime dar. Der Ausgangspunkt aller konzeptionellen überlegungen ist immer mehr die Individuelle Lebenswelt der Menschen und ihrer Bedürfnisse geworden. Genau dies findet sich im grundsätzlichen Ansatz der Hausgemeinschaften, in der Architektur und in der Organisation. Hausgemeinschaften sind gekennzeichnet durch:

  • Humanität: das bedeutet, das Individuum mit seinen Wünschen und Beziehungen ist Ausgangspunkt,
  • Normalität: das heißt, in quartiersbezogenen Wohnungen in familienähnlichen Strukturen leben,
  • dezentrale Strukturen,
  • Balance von Nähe (Gemeinschaft in der Wohnküche) und Privatheit (Rückzugsmöglichkeit im Einzelzimmer) in einer Großwohnung,
  • präsente feste Bezugsperson und individuell angestimmte Pflege im Hintergrund durch Fachkräfte,
  • wirtschaftliche Machbarkeit,
  • Leistungsfähigkeit im Sinne der Bewohnerinnen und Bewohner.

Aufgrund der aufgeführten Vorteile von Hausgemeinschaften und der weiteren Ausdifferenzierung des Alters ist davon auszugehen, dass sich Hausgemeinschaften als Wohnformen bei Pflegebedarf weiter entwickeln und quantitativ an Bedeutung gewinnen werden. Idealerweise stellen Hausgemeinschaften langfristig die Alternative zu den bestehenden vollstationären Pflegeeinrichtungen dar.

Forderungen:

  1. Hausgemeinschaften, deren Verbreitung, Weiterentwicklung, Sicherung und Finanzierung muss als anerkannte Wohnform im Alter öffentlich unterstützt werden.
  2. Es muss eine Bereitschaft bei Trägern zur Veränderung bestehender Konzepte für Hausgemeinschaften bestehen, um dem Bedarf nach dieser Art von Wohnform Rechnung zu tragen.
  3. Hausgemeinschaften brauchen zu ihrer wünschenswerten Verbreiterung Öffentlichkeitsarbeit.
  4. Die Planungs- und Konzeptionierungsphasen von Hausgemeinschaften brauchen öffentliche finanzielle Unterstützung.
  5. Das Wohnen in einer Hausgemeinschaft zur Probe muss ohne finanzielle Mehrbelastungen (keine zwei Mieten) möglich sein.

b) Vollstationäre Pflegeeinrichtungen (Heime)

Heime sind Wohnformen bei Hilfe- und Pflegebedarf im Alter. Insgesamt lassen sich in den letzten Jahrzehnten derzeit drei Generationen von Heimen unterscheiden. Aus der ersten Generation der Pflegeheime stammt der Begriff “Insasse”, in der zweiten Generation folgten die “Patienten” und in der dritten Generation die “Bewohner”. Erst die dritte Generation des Pflegeheimbaus in den 80er und 90er Jahren ließ die Einrichtungen entstehen, die man heute überwiegend kennt. Es wurden individuelle Wohn-/Schlafbereiche, die möglichst viele Merkmale einer normalen Wohnung aufweisen sollten, eingerichtet. Auch Gemeinschaftsbereiche wurden immer wichtiger. Statt einer totalen Versorgung rückten jetzt Hilfen im individuellen Wohnbereich in den Vordergrund. Sie sollten dem alten Menschen ermöglichen, relativ selbständig zu leben (“aktivierende Pflege”). Die zunehmend eingerichteten Einzelzimmer wurden nach dem Konzept der 80er Jahre einzelnen Wohngruppen zugeordnet, die wiederum jeweils über einen Gruppenraum mit Küche verfügten.

Seit Einführung der Pflegeversicherung 1996 sind hohe öffentlich erbrachte Summen in den Pflegebereich geflossen. Parallel dazu ist die Qualität der Pflege und dabei insbesondere die in den Heimen Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Offenbare und unbestreitbare Pflegemängel stellen sich als strukturelle Probleme der Pflege in Heimen – mit vielfältigen Ursachen – dar, und das nachweislich unabhängig von privater oder frei-gemeinnütziger Trägerschaft.

Forderungen:

  • Unabhängige und qualifizierte Beratung von pflegebedürftigen Menschen, orientiert an Qualitätsstandards.
  • Mitbestimmung bei der Planung und Gestaltung von Pflegeeinrichtungen (Raumkonzepte, Bildung von Wohngruppen, Ausstattung, Gemeinschaftsangebote, Wohnangebote für Angehörige, keine Einbahnstraßenkonzepte).
  • Stärkung der Rechte der Heimbewohner/Heimbeiräte (Stärkung der Selbstbestimmungsrechte, Ausbildung/Fortbildung von Heimbeiräten und Beteiligung der Seniorenvertretungen an diesen) und der Heimaufsicht und der Zusammenarbeit von Heimaufsicht und Seniorenvertretung.
  • Verbesserte Personalausstattung, deren Ausbildung, Fortbildung und qualifizierte Fachkräfte, sowie eine Diens tleistungsorientierung und Bezugspflege.
  • Förderung ehrenamtlicher Betreuungsinitiativen; bei intensiven Begleitungen Aufwandsentschädigung (geringe Entgelte).
  • Beschwerdestellen für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner als eine weitere Möglichkeit der Interessenvertretung (z.B. Verbraucherschutz).

In Anbetracht der aktuell durchschnittlich schlechten Pflegequalität in Heimen ist die Formulierung von Mindestanforderungen für eine menschenwürdige Grundversorgung leider notwendig. Als solche sind (nach Claus Fussek, in FORUM SOZIALSTATION Nr. 123/August 2003) zu nennen:

“Jeder pflegebedürftige Mensch

  • muss täglich seine Mahlzeiten und ausreichend Getränke und Flüssigkeit in dem Rhythmus erhalten, in dem er kauen und schlucken kann. Magensonden und Infusionen dürfen nur nach ausdrücklicher und regelmäßig kontrollierter medizinischer Indikation verordnet werden. Ihre Notwendigkeit muss ständig hinterfragt werden. Eine Magensonde als pflegevermeidende Maßnahmen ist menschenunwürdig. Sie ist dann eine Körperverletzung.
  • muss täglich so oft zur Toilette gebracht oder geführt werden, wie er es wünscht. Windeln und Dauerkatheter als pflegeerleichternde Maßnahmen sind menschenunwürdig und eine Körperverletzung.
  • muss täglich, wenn er es wünscht, gewaschen, angezogen, gekämmt werden und Mundpflege sowie Gebiss erhalten.
  • muss täglich, wenn er es wünscht, dabei unterstützt werden, sein Bett zu verlassen und an die frische Luft kommen.
  • muss die Möglichkeit haben, seinen Zimmerpartner zu wählen, bzw. abzulehnen, “verordnete” Doppelzimmer und Mehrbettzimmer sind menschenunwürdig.
  • muss die Möglichkeit haben, mit wenigstens einem Mitarbeiter der Pflegeeinrichtung in seiner Muttersprache zu sprechen. Kommunikation darf nicht als “Kaviarleistung” und damit als nicht finanzierbar gelten.
  • muss die Sicherheit haben, dass er in der Todesstunde nicht allein gelassen wird.”

Wir fordern insgesamt, dass der selbstständige und selbstverantwortliche Mensch im Mittelpunkt steht, nicht Profit, nicht Rechtsverordnungen, und nicht das Pflegegeschehen als solches.

z.B. bei muslimischen Frauen muss die Pflege durch eine Pflegerin durchgeführt werden (Erläuterung der Workshopteilnehmenden)